Gerechtigkeitssinn und Revanchismus
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Kürzlich habe ich den Artikel “Fairness kennt nur der Mensch” auf spiegel-online gelesen. Da bin ich ins Grübeln gekommen. In dem Artikel wird beschrieben, dass nur Menschen einen ausgeprägten Sinn für Fairness und Gerechtigkeit haben. Bisher dachte ich immer, dass nur Menschen zu all den Perversionen fähig sind, wie sie während des Krieges passieren. Oder auch zu anderen “Gelegenheiten”. Die Lust am Quälen ist bei Tieren - unter normalen Umständen - nicht nur oder wenig ausgeprägt. Daraus schloss ich, dass Tiere an für sich, das moralischere Leben führen. Offenbar muss ich hier meine Sicht korrigieren.
Ich hatte bisher das Bild, dass die Menschen - seid dem Sünden Fall - aus dem Paradies verstoßen wurden und nicht die Tiere. Denn nur der Mensch hatte ja gesündigt. Gut, die Schlange auch. Aber der Rest durfte im Paradies bleiben. Wenn ich mir die betreffende Bibelstelle noch mal ansehe, wo die Menschen vom Baum der Erkenntnis essen, dann heißt es in 1. Mose 3,5+6:
Sondern Gott weiß, dass an dem Tag, da ihr davon esst, eure Augen aufgetan werden und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses. Und die Frau sah, dass der Baum gut zur Speise und dass er eine Lust für die Augen und dass der Baum begehrenswert war, Einsicht zu geben; und sie nahm von seiner Frucht und aß, und sie gab auch ihrem Mann bei ihr, und er aß. ***Gut, wenn man als Mensch einen Sinn für Gerechtigkeit hat, dann sieht man was gut und was böse ist. In sofern passt das. Das haben wir den Tieren offenbar tatsächlich voraus. Aber es gibt - wie immer im Leben - auch eine Kehrseite unseres Gerechtigkeitssinns und das ist der Revanchismus. Denn diese Erkenntnis wurde nämlich auch im Artikel beschrieben. Tiere - im Gegensatz zu Menschen - tragen es ihren Artgenossen nicht nach, das sie von ihnen betrogen oder bestohlen wurden. Und ich sehe in dem Revanchismus auch die Ursache für Krieg und Grausamkeit. Hier will man sich für das vermeintlich oder tatsächlich erfahrene Unrecht rächen.
Ja, das ist auch etwas, womit ich immer wieder zu kämpfen habe. Ich verspüre oft den Drang, ungerechte Menschen
auch noch nachträglichbestrafen zu wollen und weiß, dass ich sehr nachtragend sein kann. Und es fällt mir oft schwer über erlittene Ungerechtigkeiten hinweg zu kommen. Und ich bin froh, dass genau dieses Thema in den Evangelien ein so großen Raum hat. Der Gerechtigkeitssinn ist an sich gut, wenn wir uns nicht von unserem Revanchismus selbst vergiften.Auch wenn ich gläubiger Christ und Quäker bin, sehe ich die Naturwissenschaften nicht als Bedrohung für meine Überzeugung an. Wenn neue Erkenntnisse ein Umdenken verlangen, sperre ich mich nicht dagegen. Ich denke die Bibel ist keine Konkurrenz zu den Naturwissenschaften, sondern eine Ergänzung zu den Fragen, auf die die Naturwissenschaften keine Antworten liefern kann. Z.B. wie gehe ich mit revanchistischen Gefühlen um. Hier hat sie ihre Berechtigung und wahre Stärke.