Zur 3. Auflage von "Quäker heute" (Books of discipline)
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Um es vorwegzunehmen: Der große Wurf ist es nicht geworden! Es gibt ein paar Kleinigkeiten die geändert wurden; viele Mängeld die unverändert blieben und einige Verschlimbesserungen. Dabei habe ich die 1. mit der 3. Auflage verglichen. Meine 1. Auflage von 2003 hat jede menge handschriftliche Anmerkungen. Da ich noch nicht im Detail zum Books of discipline des GYM geschrieben habe, hole ich das hier bei der Gelegenheit einfach mal nach.
Eckdaten
Das Heft wurde “Quäker”-Heft Nr.2 März/April 2012 angekündigt, und ist kostenlos erhältlich bei dem Verlag: Quäkerhaus, Bombergallee 9,31812 Bad Pyrmont - oder - Telefon 05281/4413, Fax 05281/160510 - oder per Mail - pyrmont[at]quaeker.org. ISBN 978-3-929696-47-9
Format(ierung)
Mir hat sich schon bei der Ersten Auflage das Prinzip nicht erschlossen, wann eine Seite zweizeilig gesetzt wird und wann einzeilig. Auch in der 3. Auflage wurde das beibehalten. Scheinbar willkürlich wird hin und her gewechselt. Das Cover ist jetzt Grün statt blau. Statt 76 Seiten, hat das Heft jetzt nur noch 68 Seiten. Durch die Reduktion kommt es zu Unschönheiten. Bei der neuen Ausgabe wird das Schlagwortverzeichnis in die Innenseite des Heftmantel gedruckt. An einigen Stellen wurde die Schriftart geändert. An einigen Stellen hatte der Setzer Probleme mit dem “Amerikanischen Absätzen” die z.B. im Impressum dazu führen, die Zeileneinrückung misslingt.
Eigenwillige Übersetzungsarbeiten
Gleich der Erste Teil ist eine Übersetzungsarbeit und keine Eigenleistung des GYM. Ab Seite 11 bis 24 wird die Übersetzung “Meeting the Spirit” von Hans Weening abgedruckt. Unter http://www.fwccemes.org/quakers/meeting-the-spirit kann das Original gefunden und gelesen werden. Die Übersetzung ist in vielerlei Hinsicht Problematisch. Es geht schon damit los, das - im Text erwähnten - “Relevanten Quellen und Literaturangaben” unterschlagen werden. Das Nächste Riesenproblem ist, das der Text sich in weiten Teilen, wenn nicht sogar in größten Teilen, inhaltlich mit dem Text ab Seite 27 - der “Ordnung des Zusammenlebens” - überschneidet. Zumal sich beide Texte zu Teil inhaltlich widersprechen. Verbindlich ist natürlich für GYM-Mitglieder der Test ab Seite 27, aber das wird nirgends erwähnt. Ich würde den Text von Hans komplett herausnehmen und die Abschnitte, die dem dem Text auf Seite 27 fehlen ergänzend, in eigenen Worten hinzufügen. Dann ist das auch eine runde Sache!
Inhaltliches
In dem Text von Hans sind einige Unzulänglichkeiten die man damit auch gleich ausräumen kann. So wird behauptet, Quäker würden “Quaker” genannt werden, weil sie während der Gottesdienstes herumzucken und beben. Wenn man den Tagebüchern von G. Fox glauben schenkt, war es aber so, das Fox von einem Richter verspottet wurde, weil Fox zu diesem gesagt hatte, er solle wegen seiner Ungerechtigkeit vor dem Jüngsten Gericht zittern.
Kritisch empfinde ich die Aussage von Hans (ebenfalls auf Seite 11), das er das Quäkertum als “Bewegung” gezeichnet und meiner Auffassung nach ist aber das Merkmal einer “Bewegung” das sie keine konstitutionelle Strukturen ausbildet die eine Gruppe administriert. Aber genau das, ist ja bei Quäkern der Fall. Auf Seite 12, bezeichnet er die Quäker dann sogar als Sekte, was nicht weniger undiferenziert und problematisch ist
Auf Seite 4 wird extra darauf hingewiesen, das für die Ämterbezeichnungen und die stehenden Begriffe wie “Freunde”, keine weibliche Form mit genannt wird, weil diese Begriffe Geschlechtsneustrahl verstanden werden. Diesen Vorsatz halten die AutorInnen des Heftes aber nicht mal bis Seite 15 durch, denn dann heißt es schon:
“Bezüglich formaler Glaubenssätze und theologischer Dogmen unterscheiden sich die Einstellungen der Freundinnen und Freunde von derjenigen der meisten Christen. […]”
Und an diesem Satz kann man noch ein weite Unsitte der GYM-Quäker sehen, die mich immer total nervt. Sie schreiben immer in dritter Person über sich selber. Was ist denn so schwer mal “wir” zu schreiben und mal dazu zu stehen, wovon man überzeugt ist? Die Inkonsistenz mit der Schreibweise der Weiblichen Form, setzt sich dann in dem Heft auch in em Teil der Ordnung des Zusammenlebens immer weiter fort. So auf Seite 41, wo wieder von “Schreiber bzw. Schreiberinnen” die rede ist. Warum eigentlich die - vermeintlich - männlicher Form zuerst? Darunter kommen noch mal “Schatzmeisterinnen”. Aber keine “Ältestinnnen” sondern nur “Ältersten”. Warum? Würdet ihr eure weibliche Älteste mit "…Das Karin unser Älterster…" vorstellen? Warum übernehmt ihr nicht den Vorschlag der Piraten, und nicht mehr von Quäkern und Quäkerinnen und Freundinnnen und Freunden, sondern von Eichhörnchen? Wenn wir uns gegenseitig alle Eichhörnchen nennen, ist die Diskussion ein für alle mal vom Tisch!
An den im letzten Abschnitt zitierten Satz kann man noch eine andere Merkwürdigkeit aufzeigen. Die GYM-Mitglieder und ihre Schriften werde nie müde zu betonen, das Quäker kein Glaubensbekenntnis hätten. Dann frage ich mich welchen Sinn der Text auf Seite 5 hat. Ich zitiere:
Wer sind die Quäker?
Quäker bilden eine religiöse Gemeinschaft, sprechen vom “Inneren Licht” oder “dem von Gott in jedem Menschen”, fühlen sich durch das “Innere Licht” mit der Quelle des Lebendigen verbunden, bemühen sich, von Jesus Leben zu lernen und danach zu handeln. Schweigende Andacht steht im Mittelpunkt ihrer religiösen Zusammenkünfte, ohne Predigt, ohne festgesetzten Ablauf: Gemeinsames Schweigen, Warten auf Gottes Führung, die in Stillen kommen kann oder durch das gesprochene Wort. Sie kennen keine Dogmen Alles Leben ist ihnen Sakrament, und für sie kann der Geist Gottes allgegenwärtig sein.
Liest sich für mich wie ein Glaubensbekenntnis. Von wem ist eigentlich der Text? Der Autor ist nicht kenntlich gemacht.
Auf Seite 16 heißt es:
“Die Freunde betrachten ein Leben nach dem Tode nicht als Vergeltung für Tugend oder als Kompensation für die Leiden des Erdenlebens.”.
Das ist Unsinn. Das mag für ein paar esoterische Quäker Gelten aber bestimmt nicht für alle. Andernfalls würde der Titel des Buches von W. Penn “Ohne Kreuz keine Krone” überhaupt kein Sinn ergeben (und der Inhalt des Buches schon gar nicht! Auch G. Fox hätte der Aussage niemals zugestimmt. Und so stimmt auch nicht die Aussage (ebenfalls S.16):
“Sie [die Quäker] erfahren den ‘Himmel’ im Hier und Jetzt und glauben, dass alles jenseits des Todes für uns gut sein muss.”
Das ist das Konzept von Allversöhnung. Nein! Quäker glauben nicht das Massenmördern wie Adolf Hitler nach dem Tod alles verziehen ist als wäre nichts geschehen. Nein! Wie so sollte G. Fox seinen Richter - angesichts der Rechtsbeugung - vor das Jüngste Gericht gewarnt haben, wenn doch nach dem Tod wieder alles Friede, Freue, Eierkuchen ist? Nein! Das ergibt überhaupt kein Sinn!
Auf Seite 17 wird “Ministry” mit “geistlicher Beitrag” übersetzt. Ob das so glücklich ist. Ich glaube zu dem Begriff müsste noch etwas mehr gesagt werden. Weil eigentlich ist es ein “geistlicher Amt” und dazu müsste man das Amtsverständnis der Quäker erklären.
Das der Originaltext nicht 1:1 übersetzt wir, ob wohl es im Vorwort heißt es sei eine: “möglichst getreue deutsche Übersetzung” merkt man z.B. auf Seite 20. Dort wurde der Nebensatz eingeschoben: “Quäker Zeugnisse sind positive Aussagen, [..]". Der Satz ist auch einfach Quark. Alle vier Quäker-Zeugnisse sind Verneinungen: Nein zum Wehrdienst; nein zum schwören; nein zum Luxus und Dekadenz und Nein zur Diskriminierung und Unterdrückung. Auch der komplette Absatz “Quäker-Strukturen” auf Seite 23 ist keine Übersetzung aus dem Original. Wie könnte auch! Genau in dem Punkt weicht das GYM sehr stark von den weltweiten Gepflogenheiten des Quäkertums ab. Eine so starke Zentralisierung wie in Deutschlang gibt es normalerweise im Quäkertum nicht.
Ziemlich viele Notzien habe ich mir auf Seite 24 gemacht. Ich finde die Überschrift “Bücher des Lebens und Wirkens” bekloppt. Warum nicht: “Bücher zum Thema christlicher Glaube und ethisches Handeln”? Von mir aus kann das “christliche” auch gestrichen werden. Lächerlich finde ich auch Formulierungen wie: ”[…] Anthologien von Freundes-Aussagen […] “ und weiter unten: ”…Erfahrungen und Einsichten und konkrete Freundes-Praxis…". Solche Wortschöpfungen finden sich noch mehr in dem Heft. So wird z.B. auf Seite 34 von “Freundeshilfe” geschrieben. So was wirkt auf mich befremdlich, aber offenbar gibt es Leute bei dem GYM die so was ganz toll finden. Gut aber noch mal zurück zu Seite 24: Lustig fand ich den Satz
“Alle zwei Monate erscheint die Zeitschrift der deutschen Freunde ‘Quäker’”.
Die Österreicher wurden einfach unter den Tisch fallen gelassen. Aua! Über die Zeitschrift wird dann fälschlich behauptet: “In ihr wird u.a. über Zusammenkünfte, Beschlüsse und aktivitäten der zur Deutschen Jahresversammlung gehörenden Gruppen […] berichtet." Ja, ein Scheiß wird! Alle wichtigen Beschlüsse findet man garantiert nicht im Quäker-Heft! Schon gar nicht im Wortlaut! Im Abschnitt “Protokolle” wird leider nicht erwähnt, das dass GYM nicht in der Lage ist oder nicht willens ist, sein Zeug selber zu archivieren und diese an externe Archive delegiert. Im Abschnitt “Benennung” liest man den Satz: “Weil die meisten Gruppen nicht abstimmen, gibt es auch keine Wahlen”. Oh, gibt es Gruppen, die das anders handhaben? Ist mir neu! Der Abschließende Satz ist miss- oder unverständlich: “Der Benennungsausschuss erfüllt […] eine essentielle Rolle, denn das Mischen und Zusammenfügen der verfügbaren Talente erfordert sowohl Urteilskraft als auch Fantasie." Ist jetzt von der Besetzung des Benennungsausschusses oder von der Besetzung durch den Benennungsausschusses die rede?
Auf Seite 28 wird dann die Quäkergeschichte noch ein mal erzählt allerdings - inhaltlich - anders. Hier wird G. Fox von der “treibenden Kraft” bei der Konstitution (was auch richtig ist, da Er es war, der dafür sorgte, das sich Monats-, Viertel- und Jahresversammlungen bildeten) zum alleinigen Gründer, was unzutreffend ist. Hier wird die Leistung vieler anderer wichtiger Personen, allen voran seiner späteren Frau - Margaret Fell - unterschlagen. Und auch auf diese Seite findet sich wieder eine völlig überflüssige Wortschöpfung: “Freundesgruppen” statt “Quäker-Versammlung bzw -Gruppe”. Unzutreffend ist auch die Behauptung 1790 währen in Bad Pyrmont zum ersten mal Quäker offiziell geduldet worden. Wie man bei C. Bernet im 1. Band der Deutschen Quäkerschriften (ISBN 3487135698) auf Seite XI nachlesen kann, wurden die Quäker schon 1680 in Krefeld von der oranischen Obrigkeit offiziell geduldet und völlige Freiheit zugesichert. Also 110 Jahre vorher! Ich denke das ist schon ein kleiner Unterschied. In dem Text wird weder erklärt, was 1925 zur Gründung des GYM geführt hat, noch wann und warum der GYM zu ein Verein mutierte. Und zum Schluss noch mal die Erklärung - Zitat:
“Worte wie ‘Freunde’, ‘Quäker’, ‘Schreiber’ beziehen […] beide Geschlechter gleichermaßen ein. (Deshalb werden diese Bezeichnungen wie Eigennamen gebraucht. Die weibliche Endung werden nur dann […] verwendet, wenn einzelne Personen , nicht Gruppen oder Ämter allgemein, bezeichnet werden.)”
Zweiter Teil: Die Ordnung des Zusammenlebens
Ab Seite 29 beginnt dann die eigentlich Ordnung des Zusammenlebens die zu - gefühlt - 90% das zuvor geschrieben noch ein mal wiederholt. Auf Seite 31 kommt wieder mal eine Spezialität des GYM. Zitat:
“Mitgliedern wird nahegelegt, ihre Kinder bald nach der Geburt in eine Andachtsversammlung mitzubringen, damit sie in die Gemeinschaft und die Verantwortung der Freunde aufgenommen werden.”
…wird nahegelegt?. Soll das eine Drohung sein? Soll die “Gemeinschaft” Babysitter spielen, oder welche “Verantwortung” ist gemeint? Es gibt kaum noch Versammlungen die sich noch wöchentlich treffen. Die meisten wohnen viele Kilometerweit entfernt von einander. Also was soll der Unfug?
Einer der wenigen Neuerungen in dem Text ist auf Seite 37 zu finden. Hier ist ein kleiner, aber entscheidender Absatz hinzugekommen. Zitat:
“Die Deutsche Jahresversammlung gliedert sich in Gruppen und Bezirke ohne eigene Rechtspersönlichkeit.”
Um zu verstehen, was damit gemeint ist, muss man verstehen was unter Rechtspersönlichkeit zu verstehen ist. Es geht hier um die Rechtsfähig die neben allen natürlichen auch juristische Personen sowie bestimmte Personengesellschaften besitzen können. Der Besitz einer Rechtsfähig ist Voraussetzung für ein Rechtsgeschäft. Um es mal ganz verständlich ohne Advokaten-Chinesisch auszudrücken: Allein die Jahresversammlung entscheidet und kann selbständig handeln. Jeder Quäker-Versammlung die sich der Deutschen Jahresversammlung anschließt, verzichtet auf alle Rechte die sie z.B. als Personengesellschaft (also als normale Gruppe) eigendlich hätte. Eine Gruppe die sich dem GYM angeschlossen hat, kann nicht mehr selbständig über ihr Geld verfügen, Räume selbständig anmieten oder Veranstaltungen durchführen die ein Rechtsgeschäft beinhalten oder nach sich ziehen. Ich glaube diese Rechtsform ist wirklich einmalig in der Quäker-Welt! Auf Seite 39 steht übrigens noch, das sich die Mitglieder der Jahresversammlung nach der Vereinssatzung zu richten haben (und nicht nach dem Willen Gottes). Zitat:
“Die Mitgliederversammlung der Religiösen Gesellschaftlich berät und entscheidet außerdem im Rahmen ihrer Jahresversammlung über die nach der Satzung erforderlichen Punkte der Tagesordnung sowie über die Besetzung weiterer Ämter der Religiösen Gesellschaft.”
Um es noch mal klar herauszustellen: Jedes Mitglied, das an der Jahresversammlung des GYM teilnimmt, nimmt an einer vorgeschriebenen Vereinssitzung teil. Das wird wohl den wenigsten wirklich klar sein.
Der Rest
Zu den (vielen) Dingen die sich nicht geändert haben, gehört ab Seite 60 die Zeittafel der wichtigsten Ereignisse in der Quäkergeschichte. Diese wurde 2002 (also vor 10 Jahren) erstellt und endet mit dem Jahr 1990. So das offenbar sie letzten 22 Jahre nichts mehr passiert ist.