Whistle-Blower kontra Pflege-Mafia
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Gestern Titelte die Frankfurter Rundschau: "Senioren im Urin liegen gelassen". Erzählt wurde von einer anonyme Anruferin, also das was man Whistle-Blower nennt. Es ging wieder mal um die katastrophalen Zustände in den Pflegeheimen. Der Artikel ist keine "unglückliche Ausnahme". Ich habe im Sommer 2008 auch in münchner Pflegeheimen gearbeitet. Was man da sieht ist wirklich menschenverachtend.
Das Grundgesetz scheint an der Schwelle des Heime auf zu hören. Die Hauptursache sehe ich darin, das die - der Natur nach - öffentliche Aufgabe, der Versorgung von Kranken, Gebrechlichen und Hilfebedürftigen, der Privatwirtschaft - ja, ich möchte sagen: der Pflege-Mafia überlassen wir. Wenn wir die Gefängnisse und die Polizei privatisieren würden, hätten wir dort in kürzester Zeit die selben Zustände. Ich bin der Auffassung, das soziale Arbeit direkt vom Staat gemacht werden sollte. Kurzfristig hilft nur, sich selber, als Angehöriger, als Whistle-Blower zu betätigen. Und selbst das wird den Heimen kaum weh tun. Wie in diesen Beispiel zusehen ist, haben die Heime kaum was zu befürchten. Sehr wohl aber die Helfer, die in den Heimen arbeiten müssen. Wenn Die ihre Arbeitgeber anschwärzen, weil sie Missstände nicht abstellen, müssen sie sogar eine strafrechtliche Verfolgung fürchten. Das muss man sich mal Vorstellen!! Wenn du als Pfleger die katastrophalen Zustände hin nimmst und in Auftrag deines Arbeitgeber Gesetze brichst, hast du weniger zu befürchten, als wenn du auf die Zustände aufmerksam machst. Ich behaupte mal, alles was noch ein Rest an Empathie hat und den Mut hat Missstände zu kritisieren, hat schon längst sein Job verloren oder ist durch Bounout arbeitsunfähig. Den Job hält man nur mit Drogen durch oder man ist völlig abgestumpft. Und wie in einem sehr guten Zeit-Artikel (vom 26.2.2006, "Der Aufstand der Pflegerin") geschildert wird, ist es wirklich so, das man bestimmte Bilder in seinem Kopf nicht mehr löschen kann oder das einem urplötzlich Gerüche in die Nase steigen, die mit traumatischer Erlebnissen zusammen hängen. Das muss ganz ähnlich sein, wie bei Kriegs-Veteranen. Siehe hier zu auch den Artikel "Dämonen im Kopf", vom 25.03.2010, von Cordula Meyer. Man erlebt Dinge, die man echt nur in Russland oder Rumänien für möglich hält. Wer es nicht glaubt, soll sich ein Job als Pflegehelfer suchen. Wenn du sagst, du hättest deine alte Mutter schon gepflegt, wirst du sofort eingestellt! Der Personalverschleiss ist so groß, das die immer neues Personal brauchen. Du wirst feststellen, das keiner deiner Kollegen länger als 5 Jahre in dem Betrieb ist.
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