Schreiben an meine Krankenkasse
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Ich hatte mir ein Angebot von meiner Krankenkasse bezüglich einer Zahnzusatzversicherung machen lassen. Nach dem Studium des seitenlangen Zahlensalat und die lange Liste der Ausschlusskriterien, bin ich zu dem Schluss gekommen die Sache noch mal zu überdenken. Das Resultat meiner Überlegungen habe ich dann meiner Krankenkasse mitgeteilt. Inhaltlich können sie mir da zwar nicht weiter helfen, aber so wissen sie wenigstens warum ich keine Versicherung abgeschlossen habe.
Da ich mir vorstellen kann, das sich andere auch schon Gedanken über Zusatzversicherung (aller Art) gemacht haben, hier meine Überlegungen dazu. Ich schrieb…
Sehr geehrte Damen und Herren!
Bezugnehmend auf ihr Schreiben vom 20.7.09 ihre Zeichen: Versicherungsnummer XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Das Angebot ist für “DentalXtra”. Ich bin mir aber zu 99,9% sicher das ich “DentaTop” angekreuzt habe.
Nach dem Studium des seitenlangen Zahlensalat und die lange Liste der Ausschlusskriterien, bin ich zu dem Schluss gekommen die Sache noch mal zu überdenken.
Das Resultat ist folgendes:
Ich finde das ganze System asozial. Es ist eine aufkündigung des Sollidarprinzieps. Es ist das gleiche Prinzip wie die “Riesterrente” und das “Gebührenfreie” Girokonto meiner scheiss Bank. Das Prinzip ist immer das selbe: “Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.” (Matth. 25,29)
Fangen wir mit meinen scheiss Girokonto an. Wenn ich mein Job verliere und auf Harz-IV angewiesen bin, muss ich Gebühren für mein Giro zahlen, weil mein Konto zu wenig Umsatz hat. Habe ich ein Job und Einkünfte, würden mir die Gebühren gar nicht wehtun. Aber die Gebühren zahlt quasi indirekt mein Geld für mich. Bei anderen Banken würde ich statt gebühren zu zahlen, sogar noch Zinsen bekommen. Also: “Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, […] wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.”
Jetzt zum Riesterverarsche: Wenn ich ein mies bezahlten Job mache (die meist die härtesten sind) und immer wieder Arbeitslosenzeiten habe, oder nur Teilzeitjobs bekomme, oder 400-Euro-Jobs, oder ich Kinder gross ziehe und zuhause Familien-/Haus-Arbeit mache, bekomme ich eine lächerliche Rente und lande bei Sozialhilfe. Wenn ich dann noch so bescheuert war, eine Risterrente ab zu schiessen, greift sich der Staat einfach mein vom Munde abgespartes Geld. Aber die, die ihr ganzes Leben gut verdient haben, oder geerbt haben, bekommen eine fette Rente und können ihre Risterrente behalten, die zum Teil mit den Steuern derer bezahlt wurden, die am ende ihres Lebens eine Rente bekommen von der sie nicht leben können. Also: “Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, […] wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.”
So und jetzt zur Zahnzusatzversicherung: Wer kann sich eine solche leisten? Richtig: die die genug verdienen. Die die genug verdienen, können auch den Eigenanteil auch selber bezahlen. Zu Not auch mit Kredit oder Zahlungsvereinbarung (Raten). Jetzt verdiene ich gerade einiger Massen. Ich lebe aber nach wie vor im Prekariat. Ich habe einen 13-Monatsvertrag. Meine Generation - wenn sie nicht gerade Beamter ist - hat ständig Beruflich-Biographische-Brüche. Der volle Versicherungsschutz tritt aber erst ab einer ununterbrochenen Laufzeit von sechs Jahren ein. Also nur die mit gesicherten Einkünften profitieren von dem System (und natürlich die Versicherer, genauso wie bei der Riesterverarschung und der Girokontoabzocke).
Ich denke ich muss mich wahrscheinlich von zwei Illusionen trennen. Zum einen von dem Irrglauben in einer Sollidargemeinschaft zu leben, und zum anderen das alle Menschen gleich sind und Anspruch auf die gleiche Behandlung haben.
Das Himmlische Jerusalem (Offenbarung des Johannes, Kapitel 21) wird aller voraussichtlich nach nicht von Banken, Versicherungen oder der Riesterrente (den Politikern) erschaffen werden. Im Gegenteil! Alles deutet darauf hin, das sie wohl er die Rolle der apokalyptischen Reiter einnehmen und die Welt in eine Hölle verwandeln. Deshalb halte ich es der Zeit für das Beste, mich nicht vor den Karren der apokalyptischen Reiter spannen zu lassen.
Um die Metapher nicht zu überspannen, will ich die Rolle der “Hure Babylon” gar nicht zuweisen. Ich denke, jeder wird sein Jüngsten Tag haben, wo er sich zu rechtfertigen hat. Wer dann gerechtfertigt ist, wird ein anderer entscheiden.
Also: Keine Zahnzusatzversicherung für mich.
Ich werde versuchen meine Zahnlücken mit Demut und würde (im Gesicht) zu tragen. Gerechter fände ich es natürlich das entweder alle oder keiner mit Zahnlücken herum laufen muss. Das wird aber solange nicht passieren, wie die Mehrheit hoffen kann, die Gewinner des Systems zu sein. Neoliberalismus ist nichts anderes als Zocken auf höchsten Niveau. Da kann dann schon mal der Bankensektor eine komplette Volkswirtschaft in wenigen Monaten verzocken. Als Quaker bin ich natürlich der Meinung, das Glücksspiel verboten gehört. Und Neoliberalismus ist Glückspiel.
Mit freundlichen Grüssen
Olaf Radicke
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