Mennoniten-Projekt "Unser Friedenszeugnis" (Teil II.)
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Anmerkungen zu den einzelnen Abschnitten
An der Stelle möchte ich noch mal ausdrücklich darauf hinweisen, dass die folgenden Anmerkungen aus meiner (quakerischen) Perspektive sind. Mein kritische Auseinandersetzung mögen die Mennoniten nicht im jedem Punkt teilen. Das erwarte ich auch nicht. Aber vielleicht ist es einfach auch interessant, wie ihr Text und Zeugnis auf andere wirken. Zu allen Stellen, zu denen ich nichts sage, kann davon ausgegangen werden, dass sie meine Zustimmung haben. Also der überwiegende Teil des Textes!!
Inhaltsverzeichnis,Gliederung - Seite 3
Der Absatz mit der Überschrift “Unser Friedenszeugnis” erschließt sich mir nicht. Er ist im Telegrammstil gehalten und hinterlässt bei mir nur ein großes Fragezeichen.
Bei der Gliederung fällt auf, dass 50% des Textes aus “Anhang” und “Praxisbeispielen” besteht. Vielleicht hätten sich die Autoren noch mehr Gestaltungsfreiräue gestatten sollen. Die geschichtliche Entwicklung des Mennoitischen Friedenszeugnis ist ungeheuer spannend und auch wichtig für das (Selbst-)Verständnis und die Einordnung. Die Position der Mennoniten zum Friedenszeugnis ist nicht statisch gewesen, so viel ist mir klar geworden. Ich könnte mir vorstellen, dass man den “Anhang” auch als vollwertiges Kapitel an den Anfang hätte stellen können. Als Ein- und Hinführung zum Thema.
Bei genauerer Betrachtung ist der Anhang gar kein Anhang, sondern eine kommentierte Materialsammlung in chronologischer Reihenfolge. Die Auswahl der Texte finde ich sehr gelungen. Die Kommentare sind mir sogar etwas zu knapp. Möglich, dass unter Mennoniten das alles schon bekannt und kaum erwähnenswert erscheint. Für mich als Externer sind aber doch noch einige Fragen offen geblieben.
Verwirrend war für mich, dass der Haupt- und Ausgangs-Text “Unser Friedenszeugnis” nur als quasi unter ferner Liefen auf Seite 46 im Anhang auftaucht. Die Idee war wohl es chronologisch einzuordnen. Ich hätte es gleich zu Anfang nach dem Vorwort platziert, damit der Leser einen Überblick hat, bevor mit den folgenden Kapiteln in die Details gegangen wird.
Zum "Vorwort" - Seite 4
Im Vorwort stellen die Autoren fest, dass ihr Friedenzeugnis sehr wenig bis gar nicht auf konkrete politische oder gesellschaftlicher Herausforderungen eingeht. Erfreulicherweise möchten die Autoren keine fertigen Antworten liefern, sondern regen stattdessen mit Anmerkungen und Materialsammlungen dazu an, eigene Antworten zu finden. Dieser Vorsatz wurde im gesamten Heft versucht konsequent durchgehalten.
Zu "Einführung" - Seite 5
In diesen Abschnitt wird eine kurze Einführung zur Entstehung und Motivation des Textes gesagt. Ich bin dann über den Satz gestolpert “In der Lehre vom Geist Gottes und ihrer praktischen Umsetzung gibt es Defizite in unserer Gemeinde”. Als Nichtmennonit hätte mich natürlich interessiert, auf was hier angespielt wird. Ein Kritikpunkt der in der weiteren Auseinandersetzung mit dem Text immer wieder genannt werden wird von mir. Knappe prägnante Texte die auf den Punkt kommen, gefallen mir ja in Prinzip auch, aber wenn die Autoren als Leserschaft auch Nichtmennoniten ansprechen wollen, wird doch die eine oder andere Ausführung unumgänglich sein.
Kapitel 1
Alle Kapitel haben den selben Aufbau b.z.w. die selbe Gliederung:
- Ein Anschnitt des Friedenzeugnisses wird zitiert.
- Der zitierte Abschnitt wird erläutert.
- Es werden Vorschläge für die Arbeit in der Gruppe gemacht.
- Es gibt eine Liste mit Literaturempfehlungen.
- Und zu Letzt eine Liste mit Weblinks.
Mit dem 1. Kapitel kann ich wenig anfangen. Die Autoren begründen die Aussage “Jesus Christus ist der Herr” zu knapp. Für Mennoniten untereinander mag das vielleicht glasklar sein. Wobei ich weiß, dass es auch innerhalb des Mennonitentums verschiedene Strömungen gibt, mit unterschiedlichen Ansichten. Aber vielleicht sind sich in diesem Punkt alle Mennoniten einig. Aber für mich stelle ich mir schon die Frage: Warum sollte Jesus der HERR sein und nicht Buddha oder Dieter Bohlen? Was soll das überhaupt bedeuten “ER ist der HERR”? Er ist der HERR, weil er der HERR ist? Mehr als eine Tautologie vermag ich nicht zu erkennen. Gerade der Eindruck des Phrasenhaften dürfe vor allem Bibelfremde abstoßen.
Die Literaturhinweise finde ich nur bedingt hilfreich. Es ist illusorisch zu glauben, dass jemand drei mehrere hundert Seiten starke Bücher für EINEN Hauskreisabend liest. Mag ja sein, dass die Autoren die Buchtitel für lesenswert halten. Vielleicht auch zu Recht. Hier wäre es aber sinnvoll, die Passagen zu zitieren, die für die Arbeit im Hauskreis relevant sind, statt den Leser darin hilf- und ziellos herum suchen zu lassen. Vielleicht gibt es den Einen oder Andern, der über das geschickt ausgewählte Zitat, Lust bekommt das ganze Buch zu lesen. Rein rechtlich sind Zitate auch kein Problem. Was ich über die Literaturhinweise schreibe gilt übrigens für alle anderen Kapitel auch.
Kapitel 2
Bei dem Kapitel bin ich wieder über ein paar Sätze gestolpert, die auf mich sehr erläuterungsbedürftig wirkten. So z.B. “Juden und Heiden sind in Christus versöhnt und bilden zusammen eine neue Menschheit”. Da frage ich mich schon: Sehen das die Juden auch so? Was ist mit den Buddhisten? Ich könnte in der Fußnote genannten Stelle in Eph 2,15 nachschauen. Aber ob das für die Leser - wie mich - Erklärung genug ist, mag ich bezweifeln. Möglich, dass wenn man in Bienenberg studiert hat, die Sache selbsterklärend ist. Aber ich meine, da wird dann noch ein bisschen viel Vorbildung vorausgesetzt. Auch hier: wenn der Text allgemeinverständlich sein soll oder so gar missionale Ambitionen hat, brauch es ein paar Worte mehr.
Bei dem folgenden Satz habe ich echt Bauchschmerzen: “Auch in [Glaubens-]Gemeinschaften gibt es Lieblosigkeit, Rivalität, ja Feindschaft. Dem gilt es in Geduld, Gelassenheit und im Vertrauen auf das Handeln des Geistes entgegenzuwirken." Ich finde gut, dass solche heiklen Sachen angesprochen werden. Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der nicht schon solche Erfahrungen in seiner Gemeinde gemacht hat. Der vorgeschlagene Lösungsansatz klingt für mich sehr passiv. Konflikte sind immer unangenehm und eine liebloser Umgang ist oft die Auswirkung unausgesprochener Vorwürfe. Es braucht immer Mut, Konflikte anzusprechen und auszuräumen. Es wird Situationen geben, in denen sich eine Gemeinde selbst eingestehen muss, die Probleme nicht mehr selbst im Griff zu bekommen. Das setzt die Bereitschaft voraus Hilfe von Außen zuzulassen. Die Hände in den Schoss zu legen und auf das Wirken des Heiligen Geistes zu hoffen reicht nicht immer aus. Ich denke, wir werden unser Verantwortung vor Gott damit auch nicht gerecht. Dies ist meine Überzeugung, die ich aus meinen persönlichen Erfahrungen gezogen habe. Die Bereitschaft einer Gemeinschaft offen mit ihren Konflikten um zu gehen und sich notfalls Hilfe von Außen zu suchen, ist das, was eine gesunde Gemeinschaft ausmacht und sie letzten Endes von einer Sekte (im negativem Sinne) unterscheidet. “Nach außen gehen” kann bedeuten, eine Andere Gemeinde um Unterstützung und Vermittlung zu bitten, oder eine professionellen Unterstützung von außen ein zu beziehen. Aber das ist ein riesiges Thema und bedürft schon wieder eines eigenen Buch-Projektes…
Kapitel 3
Das Kapitel deutet an, dass das Friedenszeugnis für seine Vertreter auch Leid bedeuten kann. Leider ist für ein Publikum wie mich recht knapp gehalten, da es einiges an Diskussionspotenzial bietet.
Eine wichtige Frage, die bei vielen Lesern aufkommen wird ist, worin soll der Sinn bestehen für das Friedenszeugnis große Oper auf sich zu nehmen? Und warum sollte man hinzunehmen, dass man selbst oder andere Menschen dafür leiden? Ist ein solches Märtyrertum noch zeitgemäß ?
Dem Einleitungssatz “Der Ruf Jesu in seine Nachfolge geschieht durch die Gemeinde” kann ich - als Quaker - nicht zustimmen, da ich davon überzeugt bin, dass die Stimme Jesu direkt in mir und zu mir spricht, zu wie sie es in zu und in jedem Menschen tut, der sich der Stimme zuwendet. Es gibt etliche Beispiele in der Bibel, in denen Gott zu dem Einsamen und Verlassenen spricht und ihn beauftragt.
Hinweis
Meine bisherigen Kommentare zum Heft sind hier zu finden:
Das besprochene Heft selbst gibt es als PDF zu herunterladen: Download.
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