Mennoniten-Projekt "Unser Friedenszeugnis" (Teil III.)
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Wie ich auf den “Mennonews” gesehen habe, kann das Heft, was ich hier gerade bespreche auch als PDF heruntergeladen werden. Ich denke das ist sehr sinnvoll, sich auch ein eigenes Bild von dem Heft zu machen! Bestimmt nicht jeder wird meine Meinung Teilen.
Kapitel 4
Das Kapitel wird mit dem Satz eingeleitet: “Gemeinde ist mehr als miteinander Gottesdienst feiern." Sehe ich 100%-ig genauso. Nur wenn ich mir das Gemeindeleben der meisten Quaker anschaue, würde ich sagen, selbst dafür reicht es oft schon nicht. Die wenigen regelmäßigen Andachten die wir haben, werden von nur wenigen Mitgliedern regelmäßig besucht. Ich kenne einige Quaker, die nur zu Bezirksversammlungen erscheinen (also höchstens vier Mal im Jahr), und wiederum Andere die überhaupt nicht in Erscheinung treten. Und das sind nicht einzelne Ausnahmen, sondern ein beachtlicher Teil. Wahrscheinlich sogar der Großteil. In Berlin stehen ca. 30 Mitglieder auf der Liste. Regelmäßig sieht man aber nur 2 bis 3 von ihnen. Der überwiegende Teil der sonntäglichen Besucher der Andacht, sind Nichtmitglieder. Ich hoffe bei den Mennoniten herrscht diesbezüglich eine andere Realität.
Wo ich als Quaker wieder nicht mitgehen kann, ist wenn es heißt: “Als einzelne sind wir durch Glaube und Taufe Glieder am Leib Christi." Ich weiß, dass mit Taufe die Taufe mit Wasser gemeint ist. Hier bin ich - als Quaker - davon überzeugt, dass die Taufe im Heiligen Geist und nicht die mit Wasser heilsrelevant ist. Zum Glied am Leib Christi wird man dadurch, dass man Christi in Demut als Werkzeug dient. Aber auch die Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnt und in der Wahrheit bzw. im Licht lebt. Das ist meine Überzeugung. Jetzt könnte man noch diskutieren was das im Einzelnen heißt, aber da es hier um das Friedenszeugnis der Mennoniten geht, ist das hier der falsche Platz. Aber eine ganz klare Aufforderung an die Quaker, zu prüfen, ob sie nicht den Zug spüren, sich der Welt zu erklären und konkret Stellung zu beziehen.
Auch bei dem Satz “In der versammelten Gemeinde ist Christus gegenwärtig.", frage ich mich: nur dort? Vielleicht auch wieder eine Aussage die für Mennoniten selbsterklärend ist, jedoch nicht für mich. Dass Mennoniten und Quaker aber gar nicht wirklich soweit auseinander sind, zeigt der Satz “Dienende Leitung und der Verzicht auf Herrschaft sind Kennzeichen einer Friedensgemeinde”. Und das Plädoyer für das Konsens- statt des Mehrheitsverfahrens ist den Quakern durchaus vertraut. Allerdings vermisse ich im Text hierfür eine (theologische) Begründung.
Etwas unrealistisch finde ich die Arbeitsanweisung “Führt das Konsensverfahren in den Entscheidungsgremien eurer Gemeinde ein." Also wenn es die Gemeine nicht schon hat, wird es harte Überzeugungsarbeit kosten! Ob man den Leser mit der Aufgabe vielleicht etwas überfordert?
Kapitel 5
Bei dem Satz “Auch die Psalmen werden nicht müde Gottes Gnade zu rühmen." musste ich innerlich lachen, denn es gibt etliche Psalmen in den Gott darum gebeten wird, es den Feinden möglichst brutal heimzuzahlen. Hier ein paar Kostproben:
- **Ps 2, 4+5: **Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer. Dann wird er zu ihnen reden in seinem Zorn, und in seiner Zornglut wird er sie schrecken.
- **Ps 2,7-9: **Vom Beschluss will ich erzählen: Jehova hat zu mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Fordere von mir, und ich will dir zum Erbteil geben die Nationen, und zum Besitztum die Enden der Erde. Mit eisernem Zepter wirst du sie zerschmettern, wie ein Töpfergefäss sie zerschmeißen.
- **Ps 9,5: **Du hast die Nationen gescholten, den Gesetzlosen vertilgt; ihren Namen hast du ausgelöscht für immer und ewig; -
- **Ps 9, 19+20: **Stehe auf, Jehova! Nicht habe der Mensch die Oberhand; vor deinem Angesicht mögen gerichtet werden die Nationen! Lege Furcht auf sie, Jehova; mögen die Nationen wissen, daß sie Menschen sind! (Sela.)
- **Ps 11, 6: **Er wird Schlingen regnen lassen auf die Gesetzlosen; Feuer und Schwefel und Glutwind wird das Teil ihres Bechers sein.
- **Ps 18,7-9: **In meiner Bedrängnis rief ich zu Jehova, und ich schrie zu meinem Gott; er hörte aus seinem Tempel meine Stimme, und mein Schrei vor ihm kam in seine Ohren. Da wankte und bebte die Erde, und die Grundfesten der Berge erzitterten und wankten, weil er entbrannt war. Rauch stieg auf von seiner Nase, und Feuer fraß aus seinem Munde; glühende Kohlen brannten aus ihm.
- **Ps 18, 35+39-42: **Und du gabst mir den Schild deines Heils, und deine Rechte stützte mich, und deine Herablassung machte mich groß. [...] Und du umgürtetest mich mit Kraft zum Streite, beugtest unter mich, die wider mich aufstanden. Und du hast mir gegeben den Rücken meiner Feinde; und meine Hasser, ich vernichtete sie. Sie schrieen, und kein Retter war da zu Jehova, und er antwortete ihnen nicht. Und ich zermalmte sie wie Staub vor dem Winde; wie Straßenkot schüttete ich sie aus.
- **Ps 21, 8+9: **Deine Hand wird finden alle deine Feinde, finden wird deine Rechte deine Hasser. Wie einen Feuerofen wirst du sie machen zur Zeit deiner Gegenwart; Jehova wird sie verschlingen in seinem Zorn, und Feuer wird sie verzehren.
- **Ps 94,1: **Gott der Rache, Jehova, Gott der Rache, strahle hervor!
- **Ps 137,8+9: **Tochter Babel, du Verwüstete! Glückselig, der dir dasselbe vergilt, was du uns getan hast! Glückselig, der deine Kindlein ergreift und sie hinschmettert an den Felsen!
- **Ps 140,10: **Mögen feurige Kohlen auf sie herabfallen! Ins Feuer stürze er sie, in Wasserfluten, daß sie nicht aufstehen!
Zu dem Satz “In die Gesetze des Sabbat- und Jubeljahres sind auch Tiere und Pflanzen einbezogen." hätte ich gerne mal eine Bibelstelle nachgeschlagen. Im Heft wird sonst nicht mit Angaben von Bibelstellen gespart (es werden ca. 50 Bibelstellen angegeben). Losgelöst davon, ob es die oben gewünschte Stelle gibt, habe ich mich schon immer gefragt, wie man das Töten von Menschen verweigern kann, aber gleichzeitig das industrielle Töten und Essen von Tieren gutheißen kann. Es geht doch bei dem Tötungsverbot nicht nur um eine abstrakte Regel, sondern um den innigen Wunsch, unnötiges Leid zu vermeiden. Ist es denn nicht unmoralisch, nur für unsere Völlerei und Genusssucht, Tiere zu quälen? Wir haben wahrlich genug zu Essen. Es gibt kein anderen Grund als unsere Genusssucht, Fleisch zu essen. Selbst wenn man keine Empathie für Tiere besitzt (traurig und beschämend genug), sollte einem doch wenigsten das Wissen um die verheerenden Folgen für die Mitmenschen vom Fleischverzehr abhalten! Angefangen von der Klimaverschlechterung durch Viehzucht. Das Wissen, dass die “Fleischproduktion” kostbaren Flächen beansprucht, die für Getreide, Früchte uns Obst gebraucht wird, um alle Menschen satt zu bekommen. Oder die Verunreinigung der Umwelt durch die Gülle und die Medikamentenrückstände, die Tieren ins Futter gemischt werden. Und so weiter, und fort… Wenn all diese negativen Auswirkungen gerechtfertigt werden, nur um uns einen Gaumenkitzel zu gönnen, dann frage ich mich, warum es nicht moralisch und ökonomisch gerechtfertigt ist Menschen zu essen? Schließlich ist der Mensch im Todeskampf den gleichen Qualen ausgesetzt wie ein Tier. Oder glaubt irgendjemand ernsthaft, ein Mensch würde anders sterben, wenn ihm ein Bolzenschusgerät die Schädeldecke zertrümmert?
Ein sehr wichtiger Aspekt in dem Kapitel war für mich die Aussage: “Wo persönliche oder gesellschaftliche Sünde geschieht und Menschen in Schuld/en stürzt, ist Umkeher möglich. Es gilt, Gelegenheit zu Sündenerkenntnis und - bekenntnis zu schaffen, […]". Wo bei ich da gerade an den Umgang der Deutschen Quaker mit ihrer NS-Vergangenheit denke. Der Begriff gesellschaftliche Sünde ist mir hier sehr wichtig. In meiner Wahrnehmung, brüsten sich die heutigen Quaker sehr gerne mit den heroischen Heldentaten, wie der Fluchthilfe für Juden, aus dieser Zeit. Aber die Nazi-Quaker, die es genauso gab, werden verdrängt! Und die Frage die sich mir stellt ist: “Was hat die religiöse Gesellschaft der Freunde als GESELLSCHAFT getan, und nicht nur einzelne ihrer Mitglieder?" Hier sehe ich ein Versagen, das offen als Sünde bekannt werden muss. Das ist ein wichtiger Schritt, um auf Vergebung zu hoffen. Gott verneint die Sippenhaftung, davon bin ich überzeugt! Das ist nicht die Frage. Die Frage für mich ist : waren die Quaker als Gemeinschaft Glieder am Leib Christi und ein Teil des Reich Gottes auf Erden? Die Nazis nicht aus der religösen Gesellschaft der Quaker auszuschließen, war aus meiner Sicht ein Verrat an denen, die treu an dem Zeugnis festhielten und ein Verrat an der (spirituellen) Kirche Christi.
Aber der Satz ist für mich auch an dem Punkt sehr wichtig wo es heißt ”[…] Umkehr [ist] möglich."! Aus meiner Sicht, ist es unabdingbar für eine “Friedenskirche”, konsequent Mitglieder auszuschließen, die sich zu Militär melden, die Schieß- oder Kampfsport treiben, Waffen herstellen, für Firmen arbeiten, die Waffen herstellen oder logistische Aufgaben in militärischen Umfeld übernehmen. Ich bin der Meinung, es gibt genug Kirchen und Glaubensgemeinschaften, in denen das kein Problem ist. Es ist unsinnig gerade in einer “Friedenskirche” Mitglied sein zu wollen, wenn man in den oben aufgezählten Betätigungsfeldern keinen moralischen Konflikt sieht. Ich erwarte von meiner Gemeinschaft, dass sie mich in meiner/unseren Überzeugung unterstützt. Vorbehaltlos! Wie will denn ein Gemeindemitglied das Soldat ist, (glaubhaft) ein Gemeindemitglied unterstützen, des wegen Wehrdienstverweigerung im Gefängnis sitzt? Oder noch drastischer: Worin besteht denn die Gemeinschaft, wenn die einen Quaker sich am NS-Regime aktiv beteiligten, die anderen unter Einsatz ihrer Lebens Inhaftierten im Konzentrationslager unterstützten. Das ist nicht hypothetisch, sondern es war so!! Und ich denke aus der Geschichte müssen wir Konsequenzen ziehen. Das bedeutet für mich: Jeder der nicht zu den vier Zeugnissen stehen kann oder will, muss ausgeschlossen werden. Natürlich würde ich ihn nicht aus den Andachten ausschließen oder Kommunikationsverbote erteilen! Und ich würde einen Ausschluss auch nicht als umkehrbar betrachten. Wenn jemand seinen Lebenswandel ändert, soll er auch wieder aufgenommen werden.
Kapitel 6
In diesen Kapitel werden von den Autoren wieder anspruchsvolle Aufgaben an die Leser gestellt: “überlegt, wie Gemeindegründung in einem benachteiligten Stadtteil, zur Guten Nachricht für die Menschen dort werden kann?" Ja, ich kann euch jetzt schon sagen, dass eure Gemeindemitglieder mit den kuscheligen Einfamilienhäusern mit eigenem Garten ganz wild darauf sind, nach Berlin-Wedding zu ziehen, wo ihrer Kinder die einzigen in Kindergarten und Schule sind, die keinen Migrationshintergrund haben; die Kinderspielplätze mit Hundekot und Fixerbestecken verunreinigt sind und sich Frauen nach 21 Uhr nicht mehr vor die Tür trauen! Gut das klingt jetzt sehr polemisch, aber ich glaube, dass die Opferbereitschaft mt dieser Aufgabe doch arg beansprucht wird. Wahrscheinlich wäre es für einige besser gestellten Gemeindemitglieder schon eine Herausforderung, die Armut der in Harz-IV lebenden Gemeindemitglieder hautnah zu erleben und sich mit ihrer Realität auseinanderzusetzen. Interessant wäre es auch mal zu hinterfragen, in wieweit, die Ausgaben einer Gemeinde in Verhältnis zu der Lebensrealität einiger Mitglieder steht. Ganz konkret: Wie wirkt es, wenn Kinder gut gestellter Familien, auf Kosten der Gemeinde auf teure Studienreisen geschickt werden und Kinder von Harz-IV-Familien noch nie auf einer Klassenfahrt dabei waren, weil dazu das Geld fehlt ? Es ist auch einen Blick wert, sich bewusst zu machen, wer in den Gremien sitzt, die über finanzielle Unterstützung von Gemeindemitgliedern entscheiden. Ich glaube dass, das “Oben-Unten-Gefälle” verstärkt wird, wenn in den Ausschüssen besser gestellte Mitglieder sitzen, um über Unterstützung von Bedürftigen zu entscheiden. Das sind einige Beispiele dafür, dass man schon in der eigenen Gemeinde üben kann, sich über soziale Gerechtigkeit Gedanken zu machen.
Das “in-die-Welt-gesendet-werden”, um das es eigentlich in den Kapitel geht, setzt für mich erst mal ein “in-mich-(als-Gemeinde)-hinein-horchen” voraus. Was aber nicht ausschließt, dass man mit seinem inneren Prozess nicht auch automatisch nach Außen wirkt. Dazu muss man aber den Mut haben muss sich zu zeigen und sich vor allem transparent zu zeigen! Wenn es richtig läuft, müsste es so sein, dass Andere sehen, dass es so wie eine Gemeinde es macht funktioniert und es Lust macht dieses nachzuahmen.
Hinweis
Meine bisherigen Kommentare zum Heft sind hier zu finden:
Das besprochene Heft selbst gibt es als PDF zu herunterladen: Download.
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