Prophetisch(e Stimmen)?
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Vorbemerkung
Im April 2007 reichte ich ein Artikel ein, der jetzt im Quäker [1] abgedruckt ist. Die Redaktion bat mich ihn kürzen zu dürfen, dem ich zustimmte. Die ungekürzte Version veröffentliche ich jetzt hier.
Wie unten auch zu sehen ist, veröffentliche ich den Text unter der Creative Commons-Lizenz. Es gibt mehere Texte von mir hier, unter der CC-Lizenz und ich stimme der Vervielfältigung und Veränderun der Texte (im Rahmen der CC-Lizenz) ausdrücklich zu.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch Texte für den Quäker einreichen soll und will. Ich bekomme kein Cent dafür [2], das sie gedruckt werden. Denn noch muss ich mir gemaule über meine Rechtschreibung anhören (bzw. lesen). Ich sehe es so: Jeder hat seine Stärken und schwächen. Ich denke, ich darf behaupten, mich ausdrücken zu können. Andere können perfekt die deutsche Rechtschreibung. Den “Leib Christi” verstehe ich nicht so, das sich die Füße bei den Händen beschweren, das sie sie tragen müssen und das sich die Hände bei den Füßen beschweren, das sie sich die Schuhe nicht selber zubinden können.
Prophetisch(e Stimmen)?
Berlin/26.4.2006
In den letzten Ausgaben des „Quäker“ 2/2007 waren einige Beiträge zu lesen, die sich mit dem Prophetischen beschäftigten. Dort gab es einen kleinen erklärenden Block der Redaktion (Seite 56/57). Ich kann mir vorstellen, dass Prophetische Berufung oder prophetische Stimme, auf einige antiquiert oder befremdlich wirkt und die Redaktion vielleicht auch deshalb den Block eingeschoben hat. Das Buch von Claus Bernet „Quäker aus Politik, Wissenschaft und Kunst.” lässt an einigen Stellen durchscheinen, dass noch bis in die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg die sog. „christozentrischen Quäker“ die Mehrheit der RGdF stellte [3]. Wie das heute ist, darüber gibt es bestimmt keine Erhebung. Was ich aus einigen Aussagen meine heraus zu hören, ist doch eine gewisse „Bibel-Entfremdung“. Ganz wertfrei.
Mit „Gottesführung“ haben schon einige aus meiner Gruppe Schwierigkeiten. „Gotteswille“ ist schon für einige unerträglich. In Nr.14. von „Ratschlägen und Fragen“ wird auf „göttliche Führung“ gewartet. Und das noch „geduldig“! Nun, bei uns beginnt die Geschäftsversammlung meist mit den Worten „…ich möchte das heute nicht solange ausweiten, sondern möglichst schnell durchziehen.“ Bei der letzten (und meiner ersten - 2006) JV hatte ich übrigens den gleichen Eindruck, und ich glaube, es sind auch ähnliche Worte gesprochen worden, die von Ungeduld zeugten. Sind wir vielleicht zu ungeduldig in unseren Geschäftsversammlungen? Haben wir und nehmen wir uns die Zeit tatsächlich unsere Seele zur Ruhe kommen zu lassen und Gott zu uns sprechen zu lassen? Bringen wir die gleiche Geduld für Gottes Führung auf, die wir uns wünschen (oder vielleicht für selbstverständlich halten), die Gott für uns haben soll?
Ich glaube, ich bin das was einige „christozentrisch“ nennen. Ich weiß, dass wir in der RGdF ein ziemlich hohen Anteil an Akademikern haben. Ich glaube, dass viele denken, dass Aufklärung [4] und Glaube ein Widerspruch sein muss und das Prophetentum unmöglich in eine aufgeklärte Zeit passt. Dass die Freiheit des Geistes keine Herrschaft zu lässt und schon gar nicht, die Herrschaft von etwas, was man nicht sehen kann. Nun, dass kann und will ich nicht entkräften. Ich möchte dem eine Arbeitsthese in Form eines Zitats eines Kommentars aus der „Bibel in gerechter Sprache“ entgegen stellen:
„Gottes Herrschaft anzuerkennen kann darum bedeuten, die Herrschaft von Menschen über Menschen nicht anzuerkennen.“
Diese Zitat entstammt dem Glossar zu dem Wort „adonaj“ auf Seite 2357. Und jetzt komme ich in einem weiten Bogen wieder zum Prophetentum zurück [5]. Einer der bekanntesten Bibelgeschichten mit Propheten ist wohl die mit „Jona und der Wal“. Ein der Anschaulichkeit wegen sehr beliebtes Thema in jedem Religionsunterricht. Das Buch ist kurz und knapp und beinhaltet aber auf wunderbarer Weise meinen Gedankengang von oben. Nämlich: Wer wartet hier auf wen und mit welcher Geduld? Und warum hat Jona ein Problem mit Gott?
Ich glaube, es macht Angst sich dem Prophetischen zu stellen. Denn es geht um Macht und Machtlosigkeit. Warum kann ich als „aufgeklärter Mensch“ akzeptieren, dass ich über den Tot keine Macht habe und alles irgend wann ein mal sterben muss, aber die Vorstellung mich der „göttliche Führung“ zu unterwerfen als unerträglich empfinde oder auch einfach nur als Kindisch oder peinlich?
Wie würde es sich wohl an fühlen, eine mahnende prophetische Stimme unkommentiert einfach stehen zu lassen? Ich kenne das Gefühl, mich in einem Streitgespräch intellektuell überlegen zu fühlen und den Impuls, jeder rhetorisch-argumentative Schwäche mit einer rhetorischen „Breitseite“ zu kontern. Aber was tut ich da? Bin ich da mit Gott im Zwiegespräch oder mit meinem Ego? Bei der Frage zur Archivierung in der JV: Wie viel Geduld haben wir wirklich investiert und bewiesen, während wir bei der JV auf Gottes Führung warteten?
Wenn ich im Quäker 2/2007 im Beitrag von Julia Ryberg lese, das sie stolz auf ihrer Quäkertradition ist, löst das bei mir mulmige Gefühle aus, da möchte ich gerne daran erinnern, das „andre Mütter auch schöne Töchter haben“. Die buddhistischen (theravada) Mönche haben ein recht ähnliches Verfahren bei Entscheidungen wie die RGdF [6]. Sie tun das nur aber schon seit 2500 Jahren und nicht seit 350. Und das, obwohl es im (theravada) Buddhismus keinen allmächtigen Schöpfer-Gott gibt. Und damit möchte ich die Brücke zu dem „nicht chrisozentrischen Flügel“ schlagen. Ich kann mir durch aus vorstellen mit Buddhisten im selben Meeting zu sitzen, und gemeinsam in Kontemplation, nach dem „Rechten Weg“ zu forschen.
Ich glaube das dass Warten auf die „göttliche Führung“ keine intellektuelle Leitung ist. Ich glaube das wichtigste ist Sitzfleisch. Aber es ist nicht dasselbe Spiel wie das „Beamten-Mikado“ - Wer sich zu erst bewegt hat verloren[7]. Sonden es ist ein erwartungsvolles Ausharren. Das Warten auf etwas, was man nicht sehen kann, ist irrational. Vielleicht lächerlich. Vielleicht erdrückend. Vielleicht sogar hoffnungslos.
Es kann kein Warten auf neue Fakten sein. Eigentlich sollte jeder sich mit den Fakten versorgt und Vorbereitet haben, die er für die Entscheidung braucht[8]. Gott mag die Geduld haben, zu warten bis wir uns die Fakten angesehen haben, aber wir sollten uns besser nicht darauf verlassen, das er uns alles hinterher trägt.
Die Geschäftsversammlung ist der Platz wo wir mahnen, ermahnen und uns ermahnen lassen sollten. Das ist Prophetentum, wie ich es verstehe. Sind wir bereit, uns ermahnen zu lassen? Oder lässt es unser Stolz nicht zu? Oder sitzen wir bei der Geschäftsversammlung, in Wahrheit, mit Jona im Bauch des Wahls? Die frage ist nicht nur „wie gehe ich mit der prophetischen Stimme in mir[9] um, sondern auch, „wie gehe ich mit der prophetischen Stimme im Anderen um?“
In 12. „Ratschlag und Fragen“ werden wir erinnert, dass zu einer Botschaft ein „Absender“ und ein „Empfänger“ gehört: „[…]und bedenkt, auch wenn sie für euch nicht als Gottes Wort erscheinen mag, dies für andere zutreffen kann.“ Wenn ich mich zu unrecht ermahnt fühle, sollte ich mich vielleicht besser nicht reflexartig rechtfertigen oder die Mahnung brüskiert zurückweisen. Ich könnte mit meinem auf brausen verhindern, das die Nachricht den wahren Empfänger erreicht.
Paulus gibt in seinem ersten Brief an die Korinther Empfehlungen, wie prophetische Stimmen verstanden und mit ihnen umgegangen werden werden könnte. Er weist in 12,10 darauf hin, das erst durch das zusammenwirken der einzelnen Gaben manchmal der wahre Geist erkennbar wird. Das Prophetische muss also noch nicht in sich fertig abgeschlossen und in sich schlüssig sein, wenn es ausgesprochen wird. Manchmal muss es aus vielen Teilen zusammengesetzt werden. Dann ist es fatal, wenn der erste Teil eilfertig verworfen wurde und ein anderer ungeduldig die Versammlung verlässt ob wohl er in sich den Teil trägt, der den Abschluss oder Vollendung hätte bringen können.
[1] Nr.1 Januar|Februar 2008 - 82.Jahrgang Seite 17. [2] Nicht ein mal ein Belegexemplar [3] Siehe z.B. die Biographie von Gerhard Ockel 1894-1975, Seite 114 [4] Im Sinne der Philosophie & Epoche [5] Quasi „von hinten durch die Brust ins Auge“ [6] Vg. H.W. Schumann, „Der historische Buddha“, Eugen Diederichs Verlag, 7. Auf.1999, Seite180) [7] Die vielen Lehrer in der RGdF mögen mir diese Stereotypie verzeihen [8] Siehe auch „Ratschläge und Fragen“ 15.) [9] …Oder dem „inneren Christus“ oder „inneren Licht“
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