Kommentar zur Quäker-Ausgabe 2/2009 [update 17.4.2009]
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Erstveröffentlichung: 14.04.2009 - 14:57
Kurz vor den Osternfeiertagen segelte noch die neuste Ausgabe des “Quäker” bei mir rein. Die letzte Ausgabe hatte ja einige kontroverse Themen angerissen, wo rüber ich ja schon schrieb[1]. So interessiert mich schon, welche Resonanz die Themen jetzt in der neuen Ausgabe hervorrufen hatten. Würde Lutz Caspers wieder in seiner Beobachtung, im Artikel “Wie war das damals?” (Quäker, 1/2009, Seite 45) bestätigt werden: “Auffallend war, dass es fast keine Diskussionen zu einzelnen Äußerungen von Freunden in Form von Leserbriefen gab."?
Gliederungsübersicht:
- Evolution vs. Schöpfungsgeschichte
- Neue Medien
- Friedensjahr 2010
- Zeugnis der Gleichheit
- Veranstaltungskalender
- Schreiberamt - Amt des Jahres
- [update 17.4.2009]
Die Diskussion um Evolution vs. Schöpfungsgeschichte, hat einen Artikel[1] von J. Dudeck zur zu Folge. Und das Obwohl der Auftakt-Artikel als Serie angekündigt war und sehr umfangreich war. Das Fazit von dem Artikel lautet: “Ich glaube, dass wir gegenwärtig sehr zurückhaltend mit dem großen Worten Gott, Erlösung, Mysterium, Sein oder Nichts umgehen sollten.". Das Problem wird also wieder mal vertagt. Damit gedient er eigentlich genau den Vorwurf des Ausgangsartikels, der den Christen Unverbindlichkeit vorwarf. Wer jetzt eigentlich “wir” ist lässt Dudeck offen. Eine Begründung warum er das Thema verschieben will, gibt er aber: “Das naturwissenschaftliche Bild der Welt verändert sich gegenwärtig schneller und tiefer , als allgemein wahrgenommen wird. Wer sagt denn, dass wir am Ende nicht dem begegnen, der Wasser in Wein verwandelt hat und im Sand malte, als andere steinigen wollten." Damit folgt der im Grunde - ohne es vielleicht zu wissen - der Argumentation des populärwissenschaftlichen “Intelligent Design. Frei nach dem Motto: “Evolutions-Theorie ist nur eine Theorie und Theorien nehmen wir solange nicht ernst, bis es keine Theorie mehr ist oder die Theorie das besagt, was wir wollen…” Und dabei vertritt er in seinem Artikel Positionen von M. Seeber (scheinbar ohne es zu bemerken) und von den Hedonisten: “Die Natur ist wie sie ist, Kampfplatz und Tanzboden, Körperlichkeit bedeutet Leid, aber auch Lust, Freude an einer Schönheit, die vergänglich ist, wie alles auf dieser Welt. Mit Michael Seeber bin ich überzeugt, dass es unsere Aufgabe ist, sie besser zu machen." Dudeck referiert dann noch eine Weile zu Drewermann ohne für mich neue erhellende Gedanken. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist es in der Quäkergemeinschaft wegen der Geselligkeit und nicht weil ihn die spirituelle Antwort der Quäker befriedigen würde. So liest sich jedenfalls sein folgender Satz für mich: “Aber eigentlich brauchen wir ja keine Erklärungen, wir brauchen ein Gegenüber, ein Du und eine Gemeinschaft, uns trägt." Aber wenn uns der Quäkerglaube uns nicht trägt, ist dann unsere Gemeinschaft nicht eine Beliebige, eine Austauschbare und auch überflüssige? Kann ich dann nicht auch von mein Kegelclub getragen werden? Na warten wir es ab, ob noch mehr Beiträge kommen, zu dem Thema…
Neue Medien
Mehr Resonanz hatte der kurze Artikel von der Schreiberin des GYM Susanne “Jalka” Jalkoctzy “Schwierigkeiten mit den neuen Medien”[2]. Dazu gab es sogar zwei Artikel. Beide widersprachen der Position von Jalkoctzy weitestgehend. Zunächst bezog K. Mangels Stellung[3]: “Zur sachlichen und formalen Vorbereitung können die neuen Medien meiner Meinung nach hervorragend genutzt werden, zur innerlichen Vorbereitung sind sie völlig fehl am Platze." Was Mangels unter innerlich versteht, hat sie zwei Absätze vorher dargelegt: “3. Innerlich: Die innerliche Vorbereitung besteht darin, sich innerlich von seinen eigenen Wünschen und Bestrebungen zu befreien und den eigenen Willen und den aller anwesenden Freund der Führung durch das Innere Licht anzuvertrauen." Dann wird von ihr eine längere Passage von Emil Fuchs zitiert, von dem ich mir nur diese Stelle mal herrausgreiffe: ”(…) Nur guter Wille, nur Inneres Licht helfen nicht (…) Die Gestalt der Welt, der Menschen Erfindungen, die von Menschen geschaffene Art des Gesellschaftslebens, die Gesetze der Materie müssen erkannt werden. Wer die Arbeit nicht leistet, sie zu erkennen, kann sie nicht als Werkzeuge benutzen zu größeren Zwecken.(…)". Dieser Abschnitt von Emil Fuchs ist im Grunde auch eine schöne Bereicherung um die Kontroverse Evolution vs. Schöpfung.
In die gleiche Kerbe schlägt auch die Autorin H. Tempel [4], in ihrer Erwiderung auf den Artikel von Jalkoctzy, wenn sie schreibt: “Daher mein Plädoyer: Lasst uns die neuen Medien nutzen, achtsam und verantwortungsvoll - und lasst uns offen bleiben für das, was sich dann in der persönlichen Begegnung wirklich zwischen uns ereignet!" Tempel geht in ihrer Argumentationskette allerdings noch mehr auf die spezielle Situation der Quäker in Deutschland ein: “Dann aber wurde mir bewusst, das der Mail-Austausch nur eine von vielen Möglichkeiten ist, sich im vor hinein nicht nur sachlich zu orientieren, sondern sich bereits im Vorfeld eine feste Meinung zu bilden. […] Ich habe einige Male erfahren, dass der Austausch per Mail gefährlich sein kann, […] Aber es gibt auch große Vorteile der E-Mai-Kommunikation. […] In unserer zerstreut lebenden Jahresversammlung mit nur wenigen regelmäßigen Treffpunkten gibt es viele Freunde und Freundinnen, die es nicht schaffen, regelmäßig an Versammlungen teilzunehmen […]. Die elektronische Kommunikation kann sie einbeziehen und vorhandene Kontakte verstärken. Sie hilft […] sich sachlich kundig zu machen […]" Aber vielleicht ist genau das was Jalkoctzy missfällt? Sie möchte vielleicht lieber in kleinen abgeschlossenen Zirkeln und Ausschüssen der “Gewichtigen Freunden” Sachen behandelt wissen. Transparenz und Teilhabe ist vielleicht gar nicht erwünscht. Allein die Mobilität und finanziellen Mittel, um an diesen erlesenen Zirkeln teil zu haben, selektiert doch die Teilhaber erheblich. Gerade Berufstätige und Mitglieder in prekären (Nicht-)Beschäftigungs-Situationen benachteiligt das jetzige System massiv! Es fördert einseitig die Teilhabe der Rentner, Hausfrauen-/männer und Beamten. Vielleicht noch der so genannten “Söhne” und “Töchter”.
Friedensjahr 2010
Es ist unübersehbar das dass GYM sein Friedenzeugnis Grund überholen und auf neue kräftigere Beine stellen will. Das ist gut. Über die Mittel kann man dann Streiten. Ein Beitrag war der Artikel von M. Lachmund [5]. Sage und schreibe 50 Jahre alt. Er hat mich gelangweilt. Tut mir Leid, aber mit Reprints wird wohl kaum jemand hinter dem Ofen hervor zu locken sein.
Ein weiter Artikel von K. Dame beschäftigt sich ebenfalls mit dem Friedenszeugnis im Zusammenhang mit der Schilderung der Bezirksversammlung Ost. Bei dem folgendem Satz wird klar, das dass geschichtliche Bild noch unvollständig ist : “Dabei wurde nochmals klargestellt, dass George Fox sich wahrscheinlich nicht vorgenommen hatte, ein Friedenszeugnis zu schreiben, sondern die Geschichte aus seiner Aussage ein Zeugnis hat werden lassen." In der Ausgabe “Quäker” 6/2007 Seite 282, hatte Claus Bernet schon ausgiebig über das “historische Friedenszeugnis” referiert (auch wen der Name des Autors wieder mal unterschlagen wurde). Wer den Artikel gelesen hat, sollte wissen, das Margaret Fell die Autorin des Friedenszeugnisses war und nicht Gerorge Fox. Gerade von einer Frau hätte ich gedacht, das sie auf diesen Punkt besonderen Wert legt. Also führe ich es auf unvollständiges Wissen zurück. Ich fürchte das GYM hat noch fiel (Haus-)Arbeiten vor sich für das “Friedensjahr 2010”.
Zeugnis der Gleichheit
Der für mich mit Abstand beste Artikel[6] war der von Elise Boulding (vom Boulder Friends Meeting[7])! Ich glaube das auf uns noch große gesellschaftliche und persönlich Probleme auf uns zukommen werden, wenn wir die Generationsschranken nicht einreißen, wie wir seit der Industrialisierung aufgebaut haben. Wir müssen im Grunde an einer Reindustialisierung unserer sozialen Verflechtungen arbeiten. Die Gesellschaft hat sich in den letzten 150 Jahren radikal an die Bedürfnisse industrialisierter Prozesse ausgerichtet und angepasst. Mittlerweile arbeiten die Maschinen immer selbständiger und immer weniger Menschen arbeiten in der Industrie. Stattdessen nimmt der Dienstleistungssektor immer mehr Anteil ein. In Familienbetrieben war es früher selbstverständlich, das alle Generationen, die Kinder und die Alten, voll in das Geschehen einbezogen wurde. Z.B. sah man in Restaurants oder Geschäften irgend wo in der Ecke die Kinder des Besitzers sitzen und Hausaufgaben machen. Das wird man aber nie bei Mc Danals & Co sehen! Die Dienstleistungs-Branche hat extrem Familienfeintlich Arbeitszeiten. Wenn die Kinder von der Schule kommen, arbeiten Mama oder Papa bei Mc Donalds, an der Tankstelle oder der Videothek. Undenkbar, das dort die Kinder ein Teil ihrer Zeit verbringen dürfen! Und so hat jeder Altersgruppe ihr Getto oder Paralleluniversum: Die Kinderkrippe, der Kindergarten, die Schule, der Schühlerhort, die UNI, der Job, das Altersheim… Kein Wunder das Psychische Erkrankungen in westlichen Industriestaaten zunehmen. Aber ich glaube das ist auch gewollt. Der Nebeneffekt der nämlich dabei auftritt ist, das sich die Altersgruppen nicht so schnell solidarisieren. Man kann sie leichter gegeneinander ausspielen. Den Rentner, wenn es um die Rente und die Pflegeversicherung geht, mit dem Berufstätigen wenn es um Steuerabgaben und Kitaplätze geht. Jedem wird eingebläut, der jeweils andere würde ihm die Haare vom Kopf fressen. Die lachenden dritten, sind das Großkapital. Die Zocker an der Börse und die “Global Player” die ganze Ökosystem für ihren Profite den Bach runter gehen lassen…
Veranstaltungskalender
Ich hatte mich ja schon in meinen Kommentar zur “Quäker”-Ausgabe 1/2009 über die hochtrabenden Pläne gewundert, die man mit den Menoniten vor hat (wobei sie wahrscheinlich noch gar nichts von ihrem “Glück” wissen). Jetzt lese ich in der Aktuellen Ausgabe 2/2009 im Veranstaltungskalender auf Seite 108, von “Church uns Peace Internationale Konferenz” Stutzig machte mich der Veranstaltungsort: Bienenberg. Offenbar handelt es sich um das Ausbildungs- und Tagungszentrum Bienenberg von den Mennoniten. Veranstalter ist wohl “Church and Peace”. Ich wusste garnicht das das GYM Mitglied bei “Church and Peace” ist…
Schreiberamt - Amt des Jahres
Ganz weit Hinten auf Seite 105 findet sich ein sehr verzweifelter Aufruf sich mit dem Schreiberamt zu beschäftigen, man hätte zusehends Probleme es zu besetzen. Man hofft… “Daraus könnten dann ggf. Ideen, Impulse, Empfehlungen abgeleitet werden, wie das Schreiberamt in unserer Jahresversammlung attraktiver gemacht werden kann." Nun ich glaube nicht das es was mit Attraktivität zu tun hat (vielleicht auch - aber keinesfalls nur) sondern mit dem Mitgliederschwund und der zunehmenden Vergreisung des GYM. Da nutzt es auch nichts, das der Schreiber zur Amtsübernahme eine Kaffeemaschine überreicht bekommen würde oder ein Kostenloses “Quäker”-Abo. Wenn niemand den Ruf verspürt das Amt an zu treten, will Gott vielleicht auch niemanden berufen? Solange man kein Eingetragener Verein ist, währe das auch kein Problem. Jetzt muss man überlegen was wichtiger ist: Die Vereinssatzung oder das Innere Licht? Aber ein erster Schritt währe den Fragebogen schon mal einfach Online zu stellen, von dem die rede ist. Oder ist das ein Geheimpapier??
[update 17.4.2009]
Mittlerweile hat sich Jochen Dudeck gemeldet uns sich beklagt (Zitat):
“Nun ja, er erinnert mich sehr an meine Studienzeit vor 30 Jahren. Da gab es eine Marxistische Gruppe, die auf endlosen Teach-ins die bürgerliche Wissenschaft zur Schnecke gemacht hat. Das Vorgehen war immer gleich, man riss einzelne Sätze aus dem Zusammenhang und regte sich dann darüber auf. Ich denke, da hast meine Argumentation nicht verstanden und sie interessiert dich auch garnicht…"
Ich schlug ihm darauf in vor (Zitat):
“Zur Lösung des Problems sehe ich zwei Möglichkeiten:
A) Die (oder dein) Artikel werden auf http://www.rgdf.de veröffentlicht. Dann kann sich der Leser selbst ein Urteil bilden, ob ich den Inhalt verzerrt darstelle oder Missverstehe.
B) Du schreibst eine Erwiderung auf http://www.the-independent-friend.de/ und stellst richtig, wie du verstanden werden möchtest."
Seine Antwort bestand aus zwei Worten (Zitat): “weder noch”
Gut, Lutz Caspers wird sich auch hierin wieder in seiner Beobachtung bestätigt sehen. Ist schon irgend wie Lustig. In der Selbstwahrnehmung vieler Quäker sehen sie sich als die großen Vermittler und Schlichter, halten PAG (Projekt Alternativen zur Gewalt) ganz hoch und arbeiten nicht selten beruflich als Mediator. Aber bei den eigenen Konflikten scheinen sie kläglich zu scheitern. Irgendwie hast sich seit 2000 Jahren nicht wirklich viel getan: ”[…] Oder wie kannst du zu deinem Mitmenschen sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge ziehen, und dabei steckt der Balken in deinem Auge?" (Matthäus 7,4 in der Übersetzung der “Bibel in gerächter Sprache”). Die Mitglieder des GYM haben scheinbar ein echtes Problem mit der offenen Auseinandersetzung. Nur immer ab zu ducken, die Kommunikation zu verweigern und Friede-Freude-Eierkuchen zu zelebrieren ist keine Lösung [8]. Ein Organismus der keinen Stoffwechsel hat, nennt man TOD. Eine Gesellschaft die keinen Austausch mehr nach Außen hat, ist Tod oder todkrank.
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Fussnoten
- **[1]** Quäker, 2/2009, Seite 63, "Kreativität, an der wir Anteil haben"
- **[2]** Quäker, 1/2009, Seite 29
- **[3]** Quäker, 2/2009, Seite 69, "Wie kommen wir zu Entscheidungen?"
- **[4]** Quäker, 2/2009, Seite 70, "Schwierigkeiten mit den neuen Medien"
- **[5]** Quäker, 2/2009, Seite 72, "Frieden möglich machen"
- **[6]** Quäker, 2/2009, Seite 77, "Frieden möglich machen"
- **[7]** http://www.boulderfriendsmeeting.org/
- **[8]** "Man kann nicht nicht kommunizieren" (Watzlawick)