Mennoniten-Projekt "Unser Friedenszeugnis" (Teil IV.)
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Kapitel 7
Das Kapitel ist betitelt mit "Jesus Christus steht über dem Staat.". Ich glaube die meisten Quaker haben ein anderes Verhältnis zum Staat als die Mennoniten. Das hängt damit zusammen, dass Quaker in Gegensatz zu Mennoniten schon einen eigenen Staat Pennsylvania) hatten, und selbstverständlich ein Gewaltmonopol für diesen Staat akzeptierten. Quakern war klar, dass es Menschen gibt, die unethisch handeln und keinerlei Einsicht zeigen. Menschen, die unter der Herrschaft Jesu leben, also ein Teil des Reiches Christi auf Erden sind, sollten Einsicht genug zeigen, andere Mitmenschen nicht zu schädigen. Nur gibt es eben auch Egomanen, die man leider auch in Schranken weisen muss. Die Quaker lehnten ein Gewaltmonopol für den Staat nicht ab, solange es den Menschen und der Gesellschaft als Ganzes diente. Der Staatsdienst kam für viele Quaker wegen dem Amtsschwur nicht in Betracht. Hier eine kurze Pasage von G. Fox zum Thema (Staats-)Gewalt:- "Die Obrigkeit soll das Schwert, dass den Übeltäter ein Schrecken sein soll, nicht umsonst tragen; wie die Obrigkeit, die das Schwert umsonst trägt, denn Übeltätern kein Schrecken ist, so ist auch kein Zeichen des Ruhmes für den, der recht tut; Gott hat nun durch seine Macht ein Volk erweckt, welches die Priester, die Obrigkeit und das Volk in ihrem Ärger 'Quäker' nennen. Dieses schreit gegen die Trunksucht und das Schwören; die Trunkenbolde aber, denen das Schwert der Obrigkeit ein Schrecken sein sollte, gehen, wie wir sehen, frei umher; von denen jedoch, die gegen dieses Laster eifern, kommen viele ins Gefängnis, weil sie Zeugnis ablegen gegen den Stolz, die Unreinheit, gegen das betrügerische Handeln auf Märkten, gegen Ausschweifung und Leichtfertigkeit, gegen das Spiel mit Kegeln, Würfeln und Karten und andere eitle und sündige Vergnügen [...] Das Schwert der Obrigkeit wird, wie wir sehen, vergeblich getragen, während die Übeltäter frei sind, Böses zu tun; die aber, welche gegen das Böse eifern, werden dafür bestraft von der Obrigkeit, die ihr Schwert gegen den HERRN kehrt [...]" ("George Fox - Aufzeichnungen und Briefe des ersten Quäkers", Übersetzerin: Margrit Stähelin, Tübingen, 1908, Verlag I.C.B. Mohr (Paul Siebek), Seite 102+103)
Ganz wichtig bei der Frage nach der legitimen Gewalt, ist dass es Kontrollmechanismen gibt. Also eine funktionierende Gewaltenteilung. Und auch dann kann Gewalt immer nur letztes Mittel sein. Und nicht Mittel zur Durchsetzung gesellschaftlich-politischen Zielen; -das Freiknüppeln von Baustellen, um Großprojekte gegen alle Widerstände umzusetzten, ist damit nicht abgedeckt!
Gäbe es eine Gewaltenteilung auf internationaler Ebene, könnte ich mir den Einsatz als letztes Mittel zum Schutz von Menschen vorstellen. Doch davon ist weit und breit leider noch nichts zu sehen. Ein Thema, über das sich Quaker übrigens auch schon früh Gedanken gemacht haben. Siehe hier zu “Essay towards the Present and Future Peace of Europe” von William Penn geschrieben 1691.
Aus dem Text lese ich, das die Mennoniten aber offenbar eine andere Position zum Thema Gewaltmonopol haben: “Darum und nicht aus Rückzugsbewusstsein sucht sie [die Mennoniten Gemeinde] Distanz und Nichtbeteiligung an Gewalt, Gewaltandrohung, Zwangsmaßnahmen und -strukturen des Staates.". Das ist aber kein Problem. Da die Nichtanerkennung eines Gewaltmonopoles des Staates bei den Mennoniten ja nicht bedeutet, dass sie für sich Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Zielen anwenden wollen im Sinne einer Selbstjustiz. Somit kann sich niemand durch den Gewaltverzicht der Mennoniten bedroht fühlen. Das ist ein wichtiger Punkt - wie ich finde! Gerade in den hitzigen Debatten über Wehrdienstverweigerung die ich schon geführt habe, kommt oft das Argument, Wehrdiensverweigerer sein moralisch verantwortlich dafür, wenn ein Land durch ein anderes Land überfallen würde, und sie nicht zu den Waffen greifen würden. Die zentrale Frage ist für mich hier: Wer stirbt denn durch Quaker, wenn diese doch überhaupt nicht schießen? Wird hier nicht das Opfer zum Täter gemacht? Und wer sagt eigentlich, dass ich als Pazifist einem Angreifer nicht auch Wiederstand entgegensetzen kann, und dabei meinen eigenen Tod in Kauf nehme?
Im zweiten Absatz stellen die Autoren des Heftes fest “Der Schutz ungeborenen, kranken und alten Lebens ist in ‘Unserem Friedenszeugnis’ als einzige Konkretion genannt." Diesen Satz finde ich noch sehr abstrakt. Aber den Autoren ist völlig klar, in welchen Spannungsfeld sie sich bewegen, da sie schreiben “Wo Gemeinde öffentlich Stellung nimmt, soll sie zum einen eindeutig reden, zum anderen aber auch sich davor hüten, doktrinär oder rechthaberisch aufzutreten oder gar den Namen Gottes zu missbrauchen”. Der Satz ist wichtig, da sich die Mennoniten damit bei der folgenden Aussage selber mit einschließen ohne dass es ihnen vielleicht bewusst war: “Neben dem Staat und seiner Organen stehen auch andere gesellschaftliche Gruppen und Kräfte in der Gefahr, sich an Gottes Stelle zu setzen und Götzen zu werden, […]” Wahrscheinlich kostet es besonders viel Mut, seine eigenen Glaubensgeschwisster öffentlich zu kritisieren und zurechtzuweisen. Aber das ist wichtig, damit man auch wahrhaftig in Umgang untereinander ist. Davon würde ich mir gerne mehr wünschen. Und zwar von beiden Gemeinschaften, Quakern und Mennoniten. Wenn ich zu Beispiel in der Gemeinde Zeitung der Münchner Mennoniten lese, dass es bei der Jahresversammlung ein “hitzige Diskusion” um die Beteiligung von Kindern am Abendmal gab, würden mich brennend die Pro- und Kontra-Argumente interessieren. Bei den Quaker würde ich mir z.B. eine öffentliche Diskussion und Austausch der Argumente bezüglich der Verwendung von Geldern begrüßen. Die öffentliche Diskussion würde die ernsthafte Suche nach Gottes Willen dokumentieren, der Bigotterie entgegenwirken.
In dem Teil “Was können wir tun?" wird vorgeschlagen “Diskutiert miteinander die These: ‘Islam bedeutet Friede’". Hier vermisse ich in der umfangreichen Literaturempfehlung kritische Werke oder Zitate, die dem Leser befähigen die Frage wirklich zu beantworten oder zu hinterfragen. Hier zwei Vorschläge:
- Zitat aus Wikipedia-Fussnote: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 4, S. 171. Islam und Salam („Friede“) beruhen auf derselben bedeutungstragenden Wurzel s-l-m. Daraus wird volksetymologisch mitunter ein Bezug der Begriffe abgeleitet mit der kausativen Bedeutung „Frieden schaffen“ oder „Frieden stiften“ für den Begriff Islam. Eine solche Bedeutung ist weder im Koran selbst noch in der heute uneingeschränkt gültigen klassischen Koranexegese nachweisbar. (http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Islam&oldid=89427808)
- "Warum ich kein Muslim bin", von Ibn Warraq, 522 Seiten, Verlag: Matthes & Seitz Berlin; Auflage: 1 (Juli 2004), ISBN-10: 388221838X, ISBN-13: 978-3882218381, Originaltitel: "Why I am not a Muslim".
Hinweis
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